Dieses Jahr steht der russische Präsident Putin vor drei Entscheidungen: die Gestaltung seiner Zukunft, der Umgang mit den Machtkämpfen im Kreml und die Kabinettsbildung. Dies geht aus einer Analyse von Tatiana Stanovaya hervor, einer Politologin und leitenden Wissenschaftlerin bei der renommierten Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden.
Zunächst müsse Putin sich festlegen, ob er 2023 zur Wiederwahl antritt. Rechtlich gesehen könnte er bis 2036 Präsident bleiben, aber alternativ auch einen Nachfolger ernennen. Wie Putin entscheidet, sei nicht abzusehen. Er lasse seine Eliten lieber im Unklaren. So veranlasste er 2020 Änderungen der Verfassung, um seine Amtszeit verlängern zu können. Danach waren sich sowohl die Präsidialverwaltung als auch die Eliten sicher, dass Putin noch lange im Amt bleiben wollte. Der Krieg könnte Putins Kalkül inzwischen verändert haben. Aber da Putin „politische Deserteure“ verachtet, die in schwierigen Zeiten ihre Ämter aufgeben, wird er wohl kaum einer werden.
Zweitens müsse Putin entscheiden, ob er die Wogen zwischen den elitären Gegnern und Befürwortern einer Kriegseskalation glätten will. Die Meinungsverschiedenheiten in diesem Fall zu unterdrücken, komme für den Kreml nicht in Frage. Schließlich wären die Loyalisten des Regimes davon betroffen. Stanovaya zieht zwei Szenarien in Betracht: Entweder strebt Putin weiterhin eine Niederlage der Ukraine an oder er kehrt an den Verhandlungstisch mit dem Westen zurück.
Drittens steht Putin vor personellen Veränderungen in seinem Kabinett, da hochrangige Beamte durch den Krieg erschöpft seien und Spannungen innerhalb des Kabinetts herrschen. Dies zwinge Putin zu neuen Ansätzen. Wahrscheinlich werde er mehr Technokraten ins Amt holen, aber dabei ein Gleichgewicht zwischen Stabilität und Erneuerung finden.